Donnerstag, 14. August 2008

Ahimsa (8)

Die Kraft von Ahimsa

Die Kraft von Ahimsa ist stärker als die Kraft des Verstandes. Es ist leicht, den Verstand zu entwickeln, aber es ist schwierig, das Herz zu entwickeln. Die Praxis von Ahimsa entwickelt das Herz in wundervoller Weise.

Wer Ahimsa praktiziert, entwickelt eine starke Willenskraft. In seiner Gegenwart verschwindet Feindschaft. In seiner Gegenwart leben Kobra und Frosch, Wolf und Lamm, Mungo und Kobra, Katze und Ratte friedlich in tiefer Eintracht zusammen. In seiner Gegenwart werden alle Feindseligkeiten aufgegeben. Der Ausdruck ‘Feindseligkeiten werden aufgegeben’ bedeutet, daß alle Wesen - Menschen, Tiere, Vögel und giftige Kreaturen - sich dem Praktizierenden furchtlos nähern und ihm nichts zuleide tun. Ihre feindselige Natur verschwindet in seiner Gegenwart. Die Ratte und die Katze, die Schlange und der Mungo und andere Wesen, die von Natur aus Feinde sind, vertragen sich in seiner Gegenwart. Löwen und Tiger können einem solchen Yogi nichts anhaben. Ein solcher Yogi kann Löwen und Tigern befehlen. Sie werden gehorchen. Das ist Bhuta Siddhi und kann durch die Praxis von Ahimsa erreicht werden. Die Praxis von Ahimsa wird letztlich in der Verwirklichung der Einheit des Lebens, in advaitischem Bewußtsein, gipfeln.

Absolutes Ahimsa ist unmöglich. Es ist auch dem gewissenhaftesten Sannyasin nicht möglich. Um dies zu praktizieren, muß man vermeiden, unzählige Kreaturen beim Gehen, Sitzen, Essen, Atmen, Schlafen und Trinken zu töten. Man findet auf der ganzen Welt keinen einzigen Nichtverletzer. Man muß Leben zerstören, um zu leben. Es ist ganz und gar unmöglich, dem Gesetz des Nichtzerstörens von Leben zu folgen, denn auch die Phagozyten im Blut zerstören Millionen gefährlicher eindringender Bakterien und Keime.

Es gibt eine philosophische Richtung, die sagt, daß das Töten eines Räubers nicht als Himsa betrachtet wird, wenn dadurch Tausende Leben gerettet werden können. Ahimsa und Himsa sind relative Begriffe. Manche sagen, daß man sich mit Gegenständen verteidigen und ein wenig Gewalt anwenden kann, wenn man in Gefahr ist; und auch das wird nicht als Himsa betrachtet. Engländer erschießen üblicherweise ihre geliebten Pferde oder Hunde, wenn die Tiere große Schmerzen leiden und wenn es keine Möglichkeit gibt, ihr Leiden zu lindern. Sie wünschen, die Seele unmittelbar vom physischen Körper zu befreien. Das Motiv ist der entscheidende Faktor. Es liegt allem zugrunde.

Ein Sannyasin (Entsagter) darf sich nicht verteidigen oder Gewalt anwenden, auch wenn er in Lebensgefahr schwebt. Für einen gewöhnlichen Menschen sollte Ahimsa das Ziel sein; aber er wird das Prinzip nicht verletzen, wenn er manchmal, aus reiner Notwendigkeit und ohne selbstsüchtige Absicht, zu Himsa Zuflucht nimmt. Man darf dem Geist diesbezüglich nicht nachgeben. Wenn man nachgiebig ist, dann wird der Geist das schnell ausnutzen und zu Gewalttätigkeiten Anlaß geben. Gib einem Dieb den kleinen Finger, und er wird die ganze Hand nehmen: der Geist übernimmt sofort diese Politik, wenn Du ihn an der langen Leine läßt.

Ahimsa ist niemals Taktieren. Es ist eine erhabene Tugend. Es ist die fundamentale Eigenschaft der Wahrheitssucher. Selbstverwirklichung ist ohne Ahimsa nicht möglich. Nur durch Ahimsa kannst Du das höchste Selbst, Brahman, erreichen. Wer Ahimsa als List betrachtet, wird oft Fehlschläge erleiden. Er wird versucht sein, auch gewaltsam zu handeln. Wer hingegen strikt das Gelübde von Ahimsa beachtet als heiligen Glauben und grundlegende Regel im Yoga, kann nie zu Gewalt verleitet werden.

Aus: Göttliche Erkenntnis von Swami Sivananda

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Erklärungen zu den verwendeten Sanskrit-Begriffen.

Quelle: www.yoga-vidya.de, Europas größtes Seminarhaus für Yoga, Ayurveda und Meditation.

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